Verband der Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung
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Politik, Papst und Pionierarbeit - Annette Schavan bei der KKV-Wallfahrt in Bethen

Von: Martin Kessens (Text und Bild)

Wallfahrt Bethen 2019 - Annette Schavan

Georg Konen, Vorsitzender der KKV-Bezirksgemeinschaft und Annette Schavan

Christen müssen Avantgardisten und Pioniere sein und sollten sich nicht in eine resignierende Rolle begeben. Dies war die Kernbotschaft der ehemaligen Botschafterin am Heiligen Stuhl in Rom, Annette Schavan, bei der diesjährigen Wallfahrt und Kundgebung der Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung (KKV) in Bethen.

Vor gut 100 KKVern referierte Schavan im Pilgerhaus über „Papst Franziskus und die Kunst des Politischen“ und konnte aus dem Erfahrungsschatz von vierjähriger Diplomatenarbeit und zahlreichen Begegnungen mit dem Heiligen Vater berichten. Franziskus sei kein politischer Aktivist, sondern ein Mann, der bei den Armen ist, machte sie deutlich. Er kenne die existenziellen Nöte der Menschen und wolle durch seine Worte und Taten die Welt wachrütteln.

Die ehemalige Bildungsministerin machte das an einem Beispiel deutlich, als Papst Franziskus beim Besuch in Bethlehem einen ungeplanten Stopp an der Mauer einlegte und diese berührte. „Als wollte er die Mauer einstürzen und nicht nur diese“, fuhr Schavan fort, „sondern auch die Mauern in den Köpfen der Menschen.“ Deshalb ginge er dahin, wo Versöhnungsprozesse und Dialoge notwendig seien und nicht in die homogenen Milieus, machte Schavan deutlich.

Drei zentrale Fragen müsse sich der Christ stellen: Woran hängt mein Herz? Woran binde ich mich? Wo lasse ich mich provozieren? Heute müsse sich die Kirche diese Fragen selbst stellen, mahnte sie. Sie rief dazu auf, die Radikalität des Christentums zu leben. Durch den Gottesdienst und den Dienst am Menschen könne man den Glauben an Gott bezeugen.

Es gäbe in der Kirche noch Stimmen, die nicht vorwärts- sondern rückwärtsgewandt seien, stellte Schavan fest. „Die Kunst des Politischen besteht in der Gestalt des Wandelns“, sagte sie, „es muss Bewegung da sein, damit wir Menschen erreichen und so Zeugnis unseres Glaubens sind“, forderte sie auf. Im Zustand der Harmonie verändere sich nichts, ohne Konflikte bewege sich nichts.

Franziskus wolle Erneuerung auf Grundlage des II. Vatikanischen Konzils und aus seiner Theologie heraus: „Christen gehen an die Peripherie!“ An der Peripherie könne man erkennen, wie es in Zukunft überall aussehen könnte, oder die Mitte werde überrannt von der Peripherie, sagte Schavan und machte auf die Gelbwesten-Proteste in Frankreich aufmerksam.

Mahnende Worte hätte der Papst auch gegenüber Europa geäußert, wusste die ehemalige Botschafterin zu berichten. Europa käme dem Papst als eine Insel der Seligen vor, das sich die Not vom Hals halten wolle. Das Mittelmeer dürfe nicht zum Massengrab werden. Ein Zitat von Papst Franziskus bringe es auf den Punkt: „Europa hat keine Kinder, es schottet sich ab. Das nennt man Selbstmord.“ Es werde kein Europa mit nur einer Religion geben, sagte Schavan. In dem interreligiösen Dialog hätte der Papst immer wieder von der gemeinsamen Verantwortung für die Welt gesprochen. „Demokratie und Vielfalt sind das Entscheidende für die Freiheit“, zitierte sie abermals.

Franziskus sei in diesen Zeiten ein Geschenk, denn er stelle den Respekt vor jedem Menschen in den Fokus. Abschließend findet Schavan klare Worte für die Menschlichkeit: „Die stärkste Kraft ist die Barmherzigkeit.“

Quelle: NWZ-online vom 6.5.2019