Verband der Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung
www.kkv-bund.de
Ortsgemeinschaft KKV Greven

Geistlicher Beirat des KKV-Bundesverbandes stellt alleinige Wirksamkeit von Strukturreformen in Frage

„Die katholische Kirche wird auch weiterhin zunehmend in der Gesellschaft an Bedeutung verlieren. Diesen Prozess werden wir durch interne Reformen nicht stoppen, sondern nur gestalten können“, so der Geistliche Beirat Prof. Dr. Peter Schallenberg in einer Videokonferenz der KKV-Ortsgemeinschaft Greven. Er sei überzeugt davon, dass die Kirche sich zukünftig mehr auf ihre „mystische Identität“ besinnen müsse und sich damit abfinden müsse, dass ihre Rolle als soziale Institution immer geringer werde.

In seinem Vortrag ging Schallenberg pointiert auf den Rückzug des Glaubens in die „Kammer privater Frömmigkeit“ ein. Der Glaube werde, so der Geistliche Beirat, immer mehr eine Frage der individuellen und persönlichen Entscheidung der Menschen sein. Aus der Volkskirche sei längst eine Entscheidungskirche geworden. „Der Glaube als gemeinschaftliches Erlebnis verliert immer mehr an Bedeutung“, stellt er in dem Vortrag vor knapp 20 KKV-Mitgliedern aus Greven fest. „Der Theologe Karl Rahner stellte trefflich fest, dass der Christ der Zukunft Mystiker sein wird“, resümiert Schallenberg. „Als Mystiker hat der Einzelne etwas von Gott erfahren – oder eben nicht.“

1949 haben noch 54 Prozent der Bundesbürger die Gottesdienste besucht. Heute seien es gerade noch sieben Prozent. „Wir müssen davon ausgehen, dass sich die Zahl auf drei Prozent einpendeln wird“, sagt Schallenberg. Er ist überzeugt davon, dass weder kircheninterne Skandale noch die Einschränkungen des Gemeindelebens vor Ort durch die Corona-Pandemie maßgeblich zu dieser Entwicklung beigetragen haben. „Die negativen Schlagzeilen über die Kirche und die Pandemiemaßnahmen, beschleunigen den Prozess lediglich.“

Grundsätzlich sehe er auch keine Möglichkeit diesen Prozess nachhaltig zu stoppen oder gar umzukehren. „Reformen werden unsere Kirchen nicht wieder voller machen“, resümiert er. Ein Blick auf die evangelische Kirche zeige, dass auch die Abkehr vom Zölibat oder die Zulassung weiblicher Priester keine Wege seien, die gesellschaftliche Bedeutung der Kirche zu steigern. „Wir müssen uns als katholische Kirche vielmehr darauf konzentrieren, der christlichen Mystik wieder mehr Raum zu geben“, stellt Schallenberg fest. „Das bedeutet, dass die Menschen zu aktiven Jüngerinnen und Jüngern Jesu werden, also Erfahrungen mit Gott und der im Alltag gelebten Nachfolge Christi sammeln.“

Es sei aber kein katholisches oder gar deutsches Phänomen, wie ein Blick ins Ausland zeige. „In den meisten Ländern, verliert die Kirche, durch die Säkularisierung, an nationaler Bedeutung“, so der Moraltheologe und Sozialwissenschaftler. Es sei dabei nahezu unerheblich, ob das Land katholisch oder protestantisch geprägt sei, denn diese Entwicklung sei fast überall zu beobachten, so Schallenberg weiter.

Dies erkläre auch, warum die Politik in der Corona-Diskussion ohne Zögern von Messen und Gottesdiensten abrate. „Religion ist in unserem Staat und in unserer säkularisierten Gesellschaft eine Privatsache“, so der Geistliche. „Es besteht grundsätzlich kein staatliches Interesse an den Kirchenbesuchen zu den Osterfeiertagen.“ Daran ändern auch die zahlreichen gesellschaftlichen Trägerschaften nichts, die die beiden großen Kirchen in Deutschland innehaben und mit denen sie auch systemrelevante Dienste anbieten. „Wir dürfen die katholische Trägerschaft einer Kindertageseinrichtung oder eines Krankenhauses nicht mit einer konfessionellen Gebundenheit verwechseln“, macht Prof. Peter Schallenberg in seinem Vortrag deutlich. „Die Trägerschaft hat ja auch heutzutage immer weniger Einfluss auf die christliche Haltung und religiösen Überzeugungen der Mitarbeitenden.“

Der Vorsitzende des KKV Greven, Josef Ridders, zeigte sich abschließend beeindruckt von den Ausführungen des Geistlichen Beirats des KKV-Bundesverbandes. „Wir sehen es als katholischer Verband als eine unserer Kernaufgaben an, über die Zukunft der Kirche zu diskutieren und sie womöglich mitzugestalten“, stellt Ridders klar. Gerade in der heutigen Zeit sei es wichtig, von vielen Seiten verschiedene Impulse zu erhalten, um sich intern wie extern dem Diskurs zu stellen.